1. Caras Grab
Jack O‘Doyel war ein kräftiger Kerl, der kräftigste der drei vierzehnjährigen Jungen. Er hatte breite Schultern und Hände, die die Arbeit in der Schmiede gewohnt waren. „Du machst sie auf, du bist stark und hast keine Angst“, bestimmte Fiadh. Sie war die Anführerin und kannte ihre Freunde, wusste, wem sie so etwas zumuten konnte. Jack nickte und seine roten Locken tanzten dabei um seine hohe, sommersprossige Stirn. Er gehorchte immer, wenn die einige Monate jüngere, aber ein wenig größere Fiadh etwas befahl. Nicht nur weil er in sie verliebt war. Nein, er bewunderte sie auch wegen ihres Wissens, ihrer Entschlossenheit und ihres Ideenreichtums, wenn es darum ging sich einen neuen Streich auszudenken.
„Diesmal gehst du zu weit“, murrte Fion, der kleinste und schmächtigste von ihnen.
„Angsthase“, hatte sie ihm an den Kopf geworfen, sich herumgedreht und ihn stehen lassen, wie einen Sack Kartoffeln.
„Kommt mit“, befahl Fiadh den anderen und stieg die Kellertreppe hinauf, die in der Küche des alten Bruchsteinhauses endete. Sie wollte schon die Bodenklappe schließen, da schrie Fion: „Verdammt! Warte gefälligst bis ich auch raus bin.“
Grinsend hielt Fiadh mit der einen Hand die Öl-Laterne und mit der anderen Hand die Klappe. Ihr schmales Gesicht sah im Schein des Lampenlichtes gespenstisch aus.
Seit die alte Cara tot war, benutzten sie ihr Haus als Treffpunkt. Fiadh hatte einen Weg vom Stall aus durch den Keller ins Haus gefunden, das Haus, das von den meisten im Dorf gemieden wurde. Darum würde es sicher für ewig und alle Zeiten leer stehen, vermutete sie.
„Hier ist unser Treffpunkt, von nun an und für immer“, bestimmte sie und fragte gar nicht ob Jack, Eoin oder Fion damit einverstanden waren.
„Oder fürchtet sich vielleicht einer von euch?“, hatte sie grinsend gefragt, die Fäuste in die Hüften gestemmt und breitbeinig die anderen herausfordernd angesehen. Fion, den sie wegen seiner schwarzen Haare und seiner steifen Art oft „Engländer“ schimpften, fand dieses benehmen für ein Mädchen unmöglich, hätte aber niemals gewagt dies laut auszusprechen.
„Die alte Hexe ist tot! Also! Was bitte soll sie uns hier noch antun?“, fragte Fiadh und verdrehte die Augen.
Sie war nach der Beerdigung als erste in dem Haus gewesen, das alle das Hexenhaus nannten. Es war ein Haus, das seit jenen Zeiten hier stand, als Queenstown noch Cobh hieß und Caras Mutter Clare Donegal schon die Hexe von Cobh genannt wurde.
Fiadh hatte das „Zauberbuch“ an sich genommen. Seltsame Sätze waren darin. Einen Satz hatte sie abgeschrieben und ihrem Vater gezeigt. Er war Schulmeister und sagte erstaunt, dass dies altes Gälisch wäre. Er kenne nicht alle Worte darin, ob sie das denn richtig aufgeschrieben habe. Dann meinte er sie dürfe das niemandem zeigen, weil die Sprache in dieser Form ja nicht mehr gesprochen werden dürfe.
„Woher hast du es?“, wollte er wissen und Fiadh hatte gelogen, behauptet, sie habe diesen Satz in einem Buch gesehen, das die alte Cara einmal in der Kirche neben ihr aufgeschlagen habe.
„Ach, die alte Cara“, hatte er geantwortet. „Es wundert mich, dass sie in die Kirche ging. Ich habe sie dort nie gesehen.“ Damit war das Gespräch beendet und vergessen.
Fiadh behauptete bei ihren Freunden, sie habe das Zauberbuch der alten Hexe und könne nun magische Taten vollbringen, wenn sie ein wenig üben würde. Vielleicht würde sie zaubern, wie die Hexe Cara oder wie ein Druide der alten Zeit.
In jenem Buch waren Gegenstände abgebildet, in denen Fiadh einmal einen Baum mit seltsam verschlungenen Wurzeln erkannte. „Es ist bestimmt die alte Eiche unter der Cara begraben ist, als Zeichen der magischen Kraft“, hatte sie sich ausgedacht. Dabei hatte sie sich an den erstaunten Gesichtern der anderen erfreut. Das andere Zeichen war ein Kreis mit drei Spiralen darin, die in der Mitte verbunden waren. Sie wusste, dass die Alte einen solchen Anhänger an einem Lederband um ihren Hals getragen hatte. „Man konnte ihn ganz genau sehen, als sie im Sarg lag. Nun ist er mit ihr beerdigt“, flüsterte sie ihren erstaunten Zuhörern zu.
„Da wir die Kette brauchen“, dabei legte sie eine geheimnisvolle Wichtigkeit in ihre Stimme, „müssen wir sie ausgraben.“
Es hatte einige Zeit der Überzeugung gebraucht, denn die anderen fürchteten sich vor der Rache der Toten. Doch nun waren sie hier, mitten in der Nacht auf dem alten, ausgedienten Friedhof von Cobh, wie die Iren ihren Ort immer noch nannten wenn sie unter sich waren. Die Engländer hatten Cobh verboten, denn seit Königin Victoria bei ihnen war, heißt die Stadt Queenstown.
Der Mond schien blass mit einem großen milchigen Hof um sich herum. Ein Kautz warnte die tierische Welt vor den Eindringlingen. Kein Lüftchen regte sich. Nur ab und zu raschelte ein Mäuschen oder bellte der Fuchs irgendwo in der Ferne.
Sie hatten die noch weiche Erde herausgegraben bis sie auf den Sarg stießen. Jack, der in der Grube stand, schob den knarrenden Holzdeckel zur Seite. „Gib mir das Licht“, rief er zu Fiadh hinauf. Sie bückte sich und reichte ihm die Öllaterne hinunter. Er leuchtete in den Sarg hinein. Gespannt starrten alle in die Tiefe und wunderten sich. Cara sah noch genauso aus, wie am Tag der Beerdigung. Kein Verfall, nicht ein einziges Tier hatte an ihr genagt. Offenbar, war sie in der kalten Erde und dem seltsamen Sarg gut aufgehoben. Ein Unbekannter hatte ihn zu ihrer Beerdigung gestiftet und auch die Kosten für ihr Grab gespendet. Ansonsten wäre sie ohne Stein vor der Friedhofsmauer in einem der Armengräber namenlos verschwunden.
„Warum sieht sie noch so lebendig aus?“, fragte Fion.
„Sie ist eben eine Hexe“, lachte Fiadh. „Passt nur auf! Es könnte sein, dass sie wieder wach wird“, worauf Fion und Eoin erschrocken zurücksprangen. Nur Jack o’Doyel stand wie ein Fels in der ausgehobenen Grube und grinste Fiadh wissend an. „Komm hinunter und hole dir die Kette“, murmelte Jack und stellte die Laterne auf den Rand. Er streckte Fiadh seine Arme entgegen und sie ließ sich von ihm in die Grube heben. Tief atmete er ihren Geruch ein, spürte ihre Körperwärme in seinen Händen und ihren Atem auf seinem Gesicht. Er hielt sie einen Moment länger fest, als es hätte sein müssen und fragte: „Hast du sicheren Stand?“
„Ja, alles klar“, antwortete Fiadh und grinste ihn an. „Wenn du kannst, darfst du mich jetzt loslassen.“
Eoin leuchtete in die Grube, während Fiadh den Kopf der alten Cara anhob, ihr die Kette über den Kopf zog und sagte: „Danke Cara!“
Grinsend meinte Fion: „Ui, wie gruselig. Du traust dich was!“
„Sie sieht aus, als schlafe sie“, meinte Eion.
„Das liegt daran, dass man ihr den Mund und die Augen zugeklebt hat, sonst würde sie dich mit offenem Mund und Augen anstarren“, gab Fiadh fast zärtlich zurück. „Ich habe es gesehen, wie sie es bei meiner Mutter gemacht haben. Eigentlich durfte ich nicht dabei sein. Aber ich hatte mich im Schrank versteckt.“ Fiadh seufzte tief.
„Ich hebe dich aus der Grube raus“, meinte Jack, „wir müssen sehen, dass wir hier fertig werden.“ Er umfasste Fiadhs Beine und hob sie hoch. Fion und Eoin reichten ihr die Hände und zogen sie heraus. „Jetzt du“, sagte Fiadh, reichte Jack die Hand und zog ihn mit Hilfe der anderen ebenfalls aus der Grube heraus, während Jack die Füße in die Lehmwand drückte.
Plötzlich erleuchtete in dem kleinen, alten Totengräberhaus neben dem Friedhof das Fenster vom Schein einer Kerze. „Passt auf!“, flüsterte plötzlich Eoin. „Im Totengräberhaus ist Licht, da steht einer am Fenster.“
„Psst, Ruhe jetzt!“, zischte Fiadh und drehte ihre Laterne aus. Sie duckten sich hinter den Stamm der Eiche und beobachteten, wie jemand durch das Fenster nach draußen sah. Dann wurde das Licht wieder gelöscht.
„Wer wohnt jetzt darin?“, fragte Fiadh verwundert. „Sollte es nicht leer stehen?“
„Keine Ahnung“, meinte Eoin. „Vielleicht der junge Kaplan, der hier ab und zu die Messe liest?“
„Ich weiß nicht “, meinte Jack. „Wer will schon im Totengräberhaus wohnen? Es sei denn er ist auch ein Totengräber? Aber den braucht man doch hier nicht mehr. Cara war die letzte, die auf diesem Friedhof beerdigt wurde.“
Plötzlich glaubten sie ihren Augen nicht zu trauen.
„Siehst du den Mann oder so etwas wie eben ein solcher, der da aus dem Haus kommt?“, fragte Jack. „Er ist groß, so groß und dürr wie der Totengräber Pauric.“ Alle starrten auf den einen mit dem schwarzen Umhang, der die Kapuze weit ins Gesicht gezogen hatte. Man konnte nur sein knöchernes Kinn und die hervorstehende Hakennase erkennen. Der Schein des Mondes tanzte seltsam darauf. „Wie war das möglich? Ich kenne keinen anderen, der so dürr und groß ist wie Pauric.“ flüsterte Jack.
„Aber der ist im letzten Winter gestorben“, meinte Eoin leise. „Wir alle hatten uns doch darüber gewundert, weil er noch so jung war. Und wir waren alle bei der Beerdigung dabei.
„Ja, ich weiß noch Fion hatte gelästert: Nicht alle Tage begräbt man einen Totengräber. Und nun ist er hier?“, fragte Fiadh.
Obwohl Eoin sonst niemals fror, was seine dicke Fettschicht verhinderte, wie er immer behauptete, fröstelte es ihn nun. Er zog seine Wolljacke enger um seinen stattlichen Leib.
„Er kommt her“, flüsterte Fiadh. „Schnell weg hier!“ Lautlos schlichen sie zurück zur kleinen Kapelle und beobachteten in deren Schutz neugierig was geschehen würde. Sie sahen den wackeligen Schein von Paurics Laterne, wie er sich mehr und mehr dem ausgehobenen Grab näherte. „Er wird es sehen“, jammerte Fion.
Dieser seltsame Kerl stellte die Laterne auf der ausgehobenen Erde ab und stieg in die Grube, hob Caras Körper heraus und legte sie auf der Erde ab. Als er selbst wieder herausgeklettert war, streckte er seine knochigen Hände nach der zierlichen Cara aus, nahm sie hoch und trug sie auf seinen Armen wie ein schlafendes Kind fort. Dabei schaute er sich noch einmal nach allen Seiten um. Sie sahen sein Gesicht, mit den tief eingefallenen Augenhöhlen und den hohen Wangenknochen. „Verdammt, das ist ganz sicher Pauric“, murmelte Jack. Vor Entsetzen kamen sie erst gar nicht auf die Idee hinterher zu schleichen. Doch als der Knochenkerl zwischen der alten Pfarrkirche und dem Pfarrhaus verschwand, rannten sie los. Sie fanden ihn nicht mehr. Obwohl der Weg und hinter dem Weg der Park in alle Richtungen gut einsehbar waren, konnten sie ihn nirgendwo entdecken. Er war, wie von der Erde verschluckt.
„Was war denn das?“, fragte Eoin.
„Kommt mit zu Caras Haus, Besprechung!“, befahl Fiadh. Die Turmuhr der alten verfallenden Kirche schlug elf Mal. „Seit wann schlägt hier wieder die Turmuhr?“, fragte Fion entsetzt. „Zur Geisterstunde bin ich weg, ob Cara wieder da ist oder nicht!“, zischte er.
„War doch schon Geisterstunde“, grinste Jack.
Fion gefiel gar nicht, was hier geschah. Aber wie sollte er sich gegen den verliebten Jack und den sensationssüchtigen Eoin durchsetzen, ohne als Hasenfuß zu gelten? Er würde für alle Zeiten den Spott der anderen ernten. Nun hatte es auch noch angefangen zu regnen. „In kurzer Zeit wird die ausgehobene Erde nur noch ein Matschklumpen sein und nicht mehr schaufelbar“, gab er zu bedenken.
„Wir schaufeln auch nicht mehr. Wozu? Cara ist doch weg“, antwortete Fiadh.
„Ich habe einmal gehört, dass, wer die Totenruhe störe, damit den Frieden seiner Seele aufs Spiel setze. Ein mancher wird wahnsinnig, wenn der Tote dann die Lebenden heimsucht“, gab Fion Fiadh zu bedenken. Aber die lachte nur. „Tote sind tot. Was sollen die noch machen, glaubst du?“
„Warum ist Pauric nicht tot? Du hast gesagt Tote sind tot, was sollen die noch machen? Jetzt hast du es gesehen, was sie machen!“
„Hör auf zu jammern!“, meinte Fiadh, „dafür gibt es sicher eine Erklärung.“
Seine Angst war es, die Fiadh angespornt hatte. Und nun war es nicht nur ein Streich, nein, sie hatten die Toten geweckt, davon war Fion überzeugt. Übellaunig stapfte er hinter den anderen her in Richtung Caras Haus.
Jack schleppte die vier Schaufeln und die Spitzhacke. Die nassen Strähnen seiner roten Haare hingen über den Augen und nahmen ihm die Sicht auf Caras Haus. Der blasse Mond verschwand nun gänzlich hinter einer Wolke und mit einem Mal war es stockdunkel. Das wackelige Licht, das Fiadh noch einmal entzündet hatte, gab ihm nur einen Hinweis in welche Richtung er laufen sollte. Er sah nicht was unter oder neben ihm war. Keuchend lief er weiter, den Regen wie kleine Nadelstiche auf seinem Gesicht spürend. „Warum muss ich eigentlich immer alles schleppen?“, fragte er. „Weil du der stärkste bist“, lachte Eoin.
„Wir sind da“, hörte er erleichtert Fiadh sagen. Trotz seiner großen Kraft wurde ihm das Werkzeug schwer. Fiadh lief durch den Stall, kletterte in den Keller und öffnete von innen die Haustür. „Alles klar, kommt rein!“, sagte sie.
Jack legte die Last erleichtert ab. Fiadh leuchtete mit der Laterne.
„Wir warten ein wenig, vielleicht hört es auf zu regnen“, meinte sie. „Dann gehen wir nach Hause.“
„Morgen wird es die ganze Stadt wissen, dass man Cara ausgegraben hat und sie werden uns erwischen“, jammerte Fion.
„Blödsinn, wer sollte das erfahren, wenn wir alle den Mund halten. Mich interessiert viel mehr warum Pauric nicht tot ist, und wohin hat er Cara gebracht?“
„Er ist vielleicht ein Geist oder so“, meinte Eoin, dem dieser Gedanke besser gefiel. Einen richtigen Geist gesehen zu haben, das war schon was.
„Es gibt keine Geister und wenn dann kämen sie wohl nur zu den Tagen, an denen die Pforte zur Anderswelt geöffnet ist, also zu den Sonnenwendzeiten. Aber mein Vater sagt das ist alter Aberglaube. Wir müssen herausfinden warum Pauric noch lebt und warum er Cara mitgenommen hat. Also hört euch um in der Stadt, wer was erzählt, wenn sie über das offene Grab reden. Sicher werden viele behaupten, dass Cara sich aus dem Grab gehext hat, aber ihr wisst ja wie es war.“
Fiadh ging zum Fenster und sah durch den Spalt der Fensterläden, der einen Blick auf den Friedhof ermöglichte. „Mal sehen, ob die Luft rein ist“, murmelte sie. „Was ist das denn?“, rief sie plötzlich erschrocken. Alle stürmten zum Fenster und wollten einen Blick hinauswerfen. „Das ist doch nicht möglich.“ Die Glocke des alten Kirchturms schlug zwölfmal.
Jack machte sich Platz, schob Fion und Eoin zur Seite und sah auf den Friedhof. „Was machen die da?“
Sie sahen zwischen Pfarrhaus und Kirche einige Männer den Weg heraufkommen, allen voran Fiadhs Vater, gefolgt von Jacks Vater dem Schmied, dem jungen Kaplan, der Stadtschreiber und - Fiadh traute ihren Augen nicht, Pauric. Alle trugen Laternen und Schaufeln in den Händen. Entschlossen zogen sie zu Caras Grab und begannen zu graben. Als der Mond wieder hinter den Wolken hervortrat und seinen hellen Schein über den Friedhof warf, war das Grab geschlossen. Es sah aus, als wäre hier nie etwas geschehen. So still und unwirklich, wie sie gekommen waren, verschwanden die Männer wieder.
„Wo ist Cara?“, flüstere Eoin. „Ich habe keine Ahnung“, meinte Fiadh. „Auf keinen Fall ist sie in ihrem Grab.“
Als der Regen nachließ, saßen sie noch immer in Caras Haus und überlegten was das bedeuten könnte. Pauric muss die anderen geholt haben. Also wussten sie wohl, dass er nicht tot war. Aber warum das alles? Warum haben sie das Grab einfach so, ohne Cara wieder geschlossen? Warum hatten sie hier Cara beerdigt und nicht auf dem neuen Friedhof der Stadt?
Seit man in der Stadt mit dem Bau der neuen Kathedrale für den Bischof begonnen hatte, war die Gemeinde seltsam aufgeteilt. Die einen besuchten die Ersatzkirche und die anderen die alten Stätten, wie die Baptistenkirche oder hier die Kirche auf dem alten Friedhof. Ja, dieser Friedhof wurde noch immer regelmäßig besucht.
„Gebete kann man auch in einer verfallenden Kirche loswerden“, hatte Fiadhs Vater einmal gesagt.
Manchmal, wenn der junge Kaplan hier eine geheime Andacht in Gälisch las, im Gedenken an die Ahnen, freuten sie sich. Doch dies geschah nur am kürzesten und längsten Tag des Jahres, den Sonnenwendtagen zum Beginn des Sommers und Winters.
Diese Kirche hier war eine ihrer alten, die schon immer zu ihnen gehörte, wie ihre alte Sprache, die verboten war, ihre Feste, die sie nicht mehr feiern durften und der Friedhof und das Pfarrhaus, die nun dem Verfall überlassen wurden.
Unten in der Stadt erhob sich seit zehn Jahren die riesige Baustelle der St. Colmans-Kathedrale. „Sie sind dem Wahnsinn verfallen“, sagten die Einen, „Schön, dieser riesige Bau sichert uns Arbeit auf viele Jahre“, sagten die jungen Leute. „Endlich akzeptieren die Engländer unsere katholische Kirche“, sagten die alten. „Endlich erhalte ich eine Kirche, die meinem Stand angemessen ist“, meinte der Bischof.